Szenenfolge

Viele Missverständnisse




Ein Jeep mit Pferdeanhänger schlängelt sich eine steile
Bergstraße in der Sierra Nevada empor.

Die junge Wildpferdstute Tammy steht im Anhänger und
stampft nervös.

Eine Pferdeherde galoppiert einen grünen Hügel hinauf.

Tammy wiehert sehnsuchtsvoll, aber ihre Pferdekame-
raden existieren nur in ihren Gedanken.





Die 11jährige Laura wartet schon seit Stunden
ungeduldig auf ihr Pony.





Endlich kommt der Jeep mit dem Pferdeanhänger
um die Ecke.





Tammy wird rückwärts die Ladefläche heruntergeführt.
Laura kann ihre Aufregung nicht mehr länger zurückhalten.
Voller Freude springt sie auf Tammy zu, um sie zu umar-
men und an sich zu drücken. Erschrocken weicht Tammy
zurück.

Der Fahrer führt die Stute in eine große, offene Box. Aufge-
regt läuft sie auf und ab. Sie fühlt sich eingesperrt und un-
sicher. Laura beobachtet ihr Pony unglücklich. Sie spürt,
dass Tammy sich nicht wohl fühlt.





Am nächsten Morgen bringt Laura Tammy auf die Weide.
Sofort rennt die Stute los. Es gibt hier viel Gras und Aus-
lauf, aber leider keine anderen Pferde.

Laura kommt von der Schule zurück. Sie hat ein Halfter
mitgebracht und ruft Tammys Namen. Voller Vorfreude
läuft sie auf Tammy zu. Doch bevor Laura Tammy erreicht,
nimmt die Stute Reißaus.

Nun geht es auf und ab über die Weide. Sobald Laura sich
nähert, trabt Tammy davon. Nur einmal lässt sich Tammy
fast anfassen, dann dreht sie auf der Hinterhand und ist
auf und davon.

In ihrer Verzweiflung klettert Laura auf eine Mauer. Unter
ihr grast die Stute. Laura springt von der Mauer und will
Tammys Hals packen. Doch Tammy hat Lauras Absicht er-
kannt und springt rechtzeitig zur Seite. Laura fällt unsanft
auf den Bauch.



Basti der Pferdejunge





Laura weiß nicht mehr weiter. Sie wünscht sich doch nur
eine liebevolle Beziehung mit Tammy. Da bemerkt sie auf
einmal einen Jungen, Basti, der die nahgelegene Berg-
straße hinaufgeht. Hinter ihm läuft ein großes braunes
Pferd. Es trägt keinen Halfter und keinen Strick. Es folgt
dem Jungen ganz freiwillig. Laura ist sofort fasziniert.
Heimlich klettert sie dem seltsamen Gespann hinterher.
Das Pferd schaut sich um. Es hat was gehört, aber Laura
duckt sich schnell hinter einen Busch.

Laura kommt den Berg hoch. Das fremde Pferd grast nicht
weit entfernt, aber der Junge ist nirgendwo zu sehen.
Langsam nähert sich Laura dem Braunen. Auf einmal pfeift
jemand hinter ihr. Erschrocken dreht sie sich um. Basti sitzt
über ihr auf einem Felsen. Ungeduldig will er wissen, wa-
rum Laura ihm und seinem Pferd hinterher schleicht. Laura
streitet erst mal alles ab, aber Basti weiß es besser, denn
sein Pferd hat ihm gesagt, dass ihnen jemand folgt. Laura
lacht, denn schließlich können Pferde ja nicht reden. Der
Junge ist verärgert und lässt die verdutzte Laura einfach
stehen.

Aber Laura ist hartnäckig. So schnell will sie nicht aufge-
ben, denn schließlich geht es hier um ihre Beziehung zu
Tammy. Heimlich folgt sie dem Jungen und beobachtet
aus der Ferne, wie Basti sein Pferd sanft massiert. Laura
möchte besser sehen, was er macht und kriecht näher.
Die trockenen Zweige rascheln. Da reißt der Braune den
Kopf hoch und trabt davon.

Wütend zieht der Junge Laura aus dem Gebüsch. Er
nennt sie eine reiche Ziege. Laura verteidigt sich, sie will
doch nur wissen, wie er eine so tolle Beziehung zu sei-
nem Pferd haben kann. Schließlich lässt Basti sich erwei-
chen. Er wird Laura etwas beibringen:



Die Geschichte der Pferde




Die ersten Pferde lebten vor 65 Millionen Jahren in einem
dichten Urwald. Dann änderte sich jedoch das Klima und
die Wälder verschwanden. Um zu überleben, mussten
sich die Pferde an die neuen Lebensbedingungen an-
passen. Sie konnten sich nicht mehr vor ihren Fressfein-
den im Unterholz verstecken, sondern mussten von nun
an bei Gefahr so schnell wie möglich die Flucht ergreifen.
Im einem Zeitraum von mehreren Millionen Jahren verän-
derte sich ihr Körperbau: Ihre Zehen wurden zu Hufen
und die Lungen wurden größer. Das machte die Pferde
schnell und ausdauernd. Auch das Sozialverhalten der
Pferde passte sich den neuen Bedingungen an und aus
Einzelgängern wurden Herdentiere.

Schließlich erschien der Mensch auf der Bildfläche und be-
gann die Pferde für seine Bedürfnisse zu züchten. Jedoch
sind das Verhalten und die Sinne der Pferde auch heute
noch an ein Leben in freier Wildbahn angepasst. Sie sind
perfekte Fluchttiere.



Mit den Sinnen eines Pferdes




Basti zeichnet um sein Pferd Apache einen Kreis in den
Sand. Er erklärt wie ein Pferd sieht und wo sich der tote
Winkel in seinem Geschichtsfeld befindet. Aber ein Pferd
kann nicht nur gleichzeitig in alle Richtungen sehen, son-
dern auch hören. So nimmt es Gefahren frühzeitig wahr
und kann rechtzeitig fliehen.

Endlich beginnt Laura zu verstehen, warum Apache vor ihr
davongelaufen ist. So wie sie sich verhalten hat, musste
er denken, dass sich ein Raubtier hinter ihm anschleicht.


Auf einmal bemerkt Laura erschrocken, dass es spät ge-
worden ist. Es dämmert bereits und sie hat einen weiten
Weg nach Hause.

Laura kommt durch ein einsames Tal. In der Dunkelheit
hört sie überall unbekannte Geräusche. Sie hofft, dass es
hier keine gefährlichen Raubtiere gibt. Jetzt hätte sie
gerne die scharfen Sinne eines Pferdes. Laura läuft immer
schneller.

Tammy galoppiert unruhig über die Weide. Ihr ist die neue
Umgebung fremd und in der Nacht fühlt sie sich ohne ihre
Herde alleine und sehr schutzlos. Sehnsuchtsvoll wiehert
sie in die Dunkelheit.



Lauras Experiment




Es ist noch früh am Morgen, als Tammy plötzlich bemerkt,
dass sie nicht alleine ist. Erschrocken schaut sie hoch. Es
ist Laura, die auf der Weide steht und versucht, sich wie
ein Pferd zu verhalten. Misstrauisch beobachtet Tammy
alle ihre Bewegungen. Es dauert sehr lange, aber dann
wird Tammy neugierig. Als Laura einen Hügel hochgeht,
trabt die Stute hinter ihr her und nähert sich dem Mäd-
chen bis auf wenige Meter. Laura will nun den großen
Schritt wagen. Ganz langsam steht sie auf und geht auf
Tammy zu. Zum ersten Mal kann Laura ihre Stute berüh-
ren und es gelingt ihr sogar, Tammy das Halfter anzulegen.

Laura reitet Tammy. Sie will zu Basti, um noch mehr über
Pferde zu lernen. Tammy geht ganz ruhig durch die Land-
schaft. Laura ist begeistert und für einen Moment passt
sie nicht auf. Tammy stampft unruhig. Plötzlich wiehert
sie und springt vorwärts. Laura fällt im hohen Bogen ins
Gestrüpp.

Tammy hat Artgenossen gehört und will sie suchen, denn
sie sehnt sich sehr nach einer Herde.




Traurig macht sich Laura auf die Suche nach ihrem Pony.
Da kommt ihr Basti auf Apache entgegengaloppiert.
Tammy ist mit fliegendem Sattelzeug auf den Hof seines
Vaters gelaufen. Laura ist stocksauer auf Tammy. Basti
nimmt ihre Stute in Schutz. Schließlich hat Tammy versucht
mit ihr zu reden, bevor sie losgelaufen ist. Langsam hat
Laura die Nase voll von Bastis Gerede über sprechende
Pferde. Aber Lauras neuer Freund scheint genau zu wissen,
wie sich Tammy verhalten hat, bevor sie losgesprungen ist
und sie abgeworfen hat. Laura wird unsicher, vielleicht kön-
nen Pferde ja tatsächlich reden. Sie will jetzt alles über die
Pferdesprache wissen. Basti zieht sie hinter sich auf den
Sattel und während sie durch die Pferdeherde seines Va-
ters reiten, beginnt er zu erklären:



Die Sprache der Pferde




In einer Pferdeherde gibt es einen Leithengst, der seine
Stuten und Jungtiere vor äußeren Gefahren schützt und
aufpasst, dass kein anderer Hengst ihm seine Stuten weg-
nimmt. Wenn eine Herde die Weideplätze wechselt, geht
er immer am Ende einer Herde, denn von dort hat er den
besten Überblick. Die Leitstute hingegen führt die Pferde
von vorne und sorgt außerdem für Ordnung innerhalb der
Herde. Die Rangordnung zwischen den übrigen Herden-
tieren wird erst dann wichtig, wenn es mal wenig zu fres-
sen gibt.

Um sich untereinander verständlich zu machen, haben
Pferde eine Sprache entwickelt. Hauptsächlich ist die
Pferdesprache eine Körpersprache. Dazu werden Schweif,
Ohren, Beine, Hals und Nüstern eingesetzt. Sie benutzen
aber auch Geräusche, um sich verständlich zu machen, wie
z.B. Wiehern oder Schnauben.

Laura hat aufmerksam zugehört und dabei die Pferde-
herde von Bastis Vater beobachtet. Aber jetzt hat sie ein
Problem. Wie kann sie die Pferdesprache erlernen? Sie hat
doch keine vier Beine, keinen Schweif und keine Ohren, die
sie in alle Himmelsrichtungen drehen kann!



Der Beginn einer Freundschaft




Basti führt Laura zu Tammy, die alleine auf einer kleinen
Weide grast. Er erklärt ihr, dass sie das Verhalten wilder
Pferde nachmachen muss, damit Tammy sie verstehen
kann. Er gibt ihr ein Seil in die Hand, mit dem sie Tammy
vor sich her treiben soll. Laura gibt sich große Mühe und
hört genau auf Bastis Anweisungen. Tammy läuft im Kreis
um sie herum. Dann ist es endlich so weit. Tammy will nicht
mehr gejagt werden und kommt auf Laura zu. Jetzt kann
Laura über die Weide gehen und Tammy folgt ihr ganz
freiwillig.

Laura ist überglücklich. Ein Anfang ist gemacht. Laura hat
gelernt, wie sie die Freundschaft und das Vertrauen ihrer
Stute gewinnen kann.

Auch Tammy ist am Ziel ihrer Wünsche. Sie hat in der Pfer-
deherde von Bastis Vater einen Platz gefunden und muss
nicht mehr alleine auf der Weide stehen.

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